Die Stedtfelder Margarethenkirche

Zwischen Andacht und Kunstbetrachtung 

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Die Margarethenkirche war Teil einer mittelalterlichen Burg. Das auffallendste Ausstattungsstück ist vorreformatorisch. Die trauernde Maria mit dem Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoß stammt aus dem katholischen Andachtskult. Solche Figuren dienten dem Mitleiden mit der Gottesmutter und tragen den italienischen Namen „Pietà“ – Mitgefühl. Die deutsche Bezeichnung „Vesperbild“ verweist auf Gebete am Nachmittag, die der Vertiefung in die Leiden Jesu galten. An die innige Bildbetrachtung knüpften Gläubige die Hoffnung auf Vergebung der Sünden, was die Reformatoren ablehnten. Sie sahen in der Schaufrömmigkeit eine Gefahr für die Seele.

Die Stedtfelder Pietà entstand 1500 in Süddeutschland oder Tirol. Ein österreichischer Generaloberst schenkte sie 1855 der Kirche, die sie 1900 an das Thüringer Museum in Eisenach verlieh. In den 1990er Jahren bezahlte die Gemeinde die Restaurierung und holte das Museumsobjekt wieder in das Gotteshaus zurück. Dient es nun wieder der Andacht und der Belehrung der Gläubigen oder steht der kunsthistorische Wert im Vordergrund?

Die Stedtfelder Margarethenkirche stand einst im Zusammenhang mit einer Burg und ihr gedrungener massiver Turm im Osten erinnert an eine Wehrkirche. Im Turmuntergeschoss befindet sich der schlichte Chor mit einem Kreuzgratgewölbe aus dem 15. Jahrhundert. Dorf und Kirche wurden seit dem 15. Jahrhundert durch die Familie von Boyneburg geprägt. Sie fanden in der Kirche ihre Grablege, wovon noch zahlreiche Grabsteine an den Wänden zeugen. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts fanden ihre Familienmitglieder im Langhaus der Kirche ihre letzte Ruhestätte, bis 1766 die ehemalige Sakristei zur Gruft umgebaut wurde.

Eine umfassende Erweiterung der Kirche erfolgte bereits 1721. In jener Zeit wurden auch die schlichten Emporeneinbauten errichtet. Die Kanzel stammt noch aus dem 17. Jahrhundert sie stand einst auf einem Kanzelfuß, der im 20. Jahrhundert wenig vorteilhaft entfernt wurde, wohl damit die Distanz des predigenden Pfarrers zur Gemeinde nicht zu groß ist. Nachvollziehbare liturgische Überlegungen führten hier zu Eingriffen in den über Jahrhunderte gewachsenen Raumeindruck. Das Beispiel zeigt, dass die Pflege kulturhistorischer Werte in den Kirchen nicht immer mit der aktuellen Glaubenspraxis in Übereinstimmung gebrachte werden können.

Ein wesentliches Ausstattungsstück der Kirche stammt aus vorreformatorischer Zeit. Es ist eine lebensgroße trauernde Maria mit dem Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoß. Diese Darstellungen werden Pietà – Mitleid – genannt. Die Figur war einst für den katholischen Andachtskult geschaffen worden. Sie strebt höchste Realität an und erspart dem Betrachter nicht die Grausamkeit des Todes Jesu. Er sollte sich mitfühlend in die Passion vertiefen, was als heilswirksam galt. Eine derartige Form von Schaufrömmigkeit kritisierten die Reformatoren scharf. Luther dagegen ließ Bildwerke als Lehr- und Erinnerungsmittel gelten, die in der Lage waren, die Herzen der Menschen zu berühren und damit zum Glauben zu bringen.

Die qualitätvolle Holzskulptur entstand wahrscheinlich um 1500 in Süddeutschland oder Tirol. Ältere kunsthistorische Arbeiten sehen Bezüge zur Werkstadt des bekannten Tiroler Bildschnitzers Michael Parcher. Die Pietà kam um 1855 als Geschenk eines österreichischen Generaloberst in die Stedtfelder Kirche. Im Jahr 1900 gab die Gemeinde das Kunstwerk an das neu eröffnete Thüringer Museum in Eisenach, wo es eines der bedeutendsten Objekte im Sammlungsbestand mittelalterlicher Holzskulpturen war. In den 1990er Jahren entschied sich die Gemeinde für die Restaurierung und die Rücknahme der Leihgabe. Das Museumsobjekt fand seinen Weg wieder in einen sakralen Raum. Doch welche Funktion erfüllt es in einer evangelisch-lutherischen Kirche? Dient die Pietà im Sinne Martin Luthers der Belehrung? Oder wird sie vor allem wegen ihres kunsthistorischen Wertes präsentiert? Es stellt sich die interessante Frage, ob sich die Anwesenheit eines solchen Kunstwerkes auf das Gottesdiensterleben auswirkt?

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