Unter der Himmelswiese
Unter der Himmelswiese
Der spätgotische Flügelaltar stammt aus einer Erfurter Werkstatt und entstand um 1490. Der Mittelschrein zeigt die Kreuzigung Christi gerahmt von vier Reliefs, Christus vor Pilatus, bei der Kreuztragung, unmittelbar vor der Kreuzigung und die Kreuzabnahme.
Die Seitenflügel bestehen aus insgesamt acht Reliefs mit Szenen aus der Passion und der Auferstehung. Die Bildwerke stellen die Grausamkeiten drastisch dar. Die Peiniger des Gottessohnes verzerren böse die Gesichter, seine Jüngerinnen und Jünger bangen um den Geliebten, trauern und erdulden dennoch demütig den Verlust.
Die Kunst der Spätgotik bemühte sich um Darstellungen, die der Natur nahekamen, ohne dass sie naturalistisch sind. Ziel war es, das Mitleid des Betrachters mit dem Leiden des gekreuzigten Christus zu erregen, denn er opferte sich aus Liebe zu den sündigen Menschen. Mitleid und Gegenliebe sollten ihn trösten und dem Seelenheil der Gläubigen dienen.
Die mittelalterliche Schaufrömmigkeit ging mit der Reformation dem Ende entgegen. Der vorreformatorische Flügelaltar in der evangelischen Kirche vermittelt uns heute einen Zugang zu den damaligen Glaubenswelten und regt zum Nachdenken über gegenwärtige Vorstellungen von der Passion Christi an.
Die Kirche in Mihla entstand zum größten Teil im Zuge eines Neubaus 1711. Doch erinnert der Turm im Westen des Langhauses, der romanische Arkaden enthält, an einen mittelalterlichen Vorgängerbau. Das Äußere der Kirche ist schlicht. Pilaster gliedern die Fassade und die Ecken im Osten sind angeschrägt. In der Mitte des Altarraums steht der Kanzelaltar, dessen Schalldeckel ein Pelikan – Symbol des Martyriums Christi – bekrönt. Die Platte des Altars stammt wohl noch aus dem Vorgängerbau, wie auch ein steinerner gotischer Schrein an der Nordwand des Langhauses. Das bemerkenswerte Stück befand sich einst im Turmobergeschoss und könnte zu Beginn des 15. Jahrhunderts gefertigt worden sein. Zweigeschossige Emporen durchziehen das gesamte Langhaus. Die Brüstungsmalereien sind auf Leinwand gefertigt. Sie zeigen in der unteren Empore Szenen und Verse aus dem Alten Testament und in der oberen Empore sich darauf beziehende Motive aus dem Neuen Testament. Das bedeutendste Ausstattungsstück ist der spätgotische Flügelaltar, der um 1490 in einer Erfurter Werkstatt gefertigt wurde. Er zeigt in Reliefs die Passion Christi und gehört zu den qualitätvollsten Werken seiner Art in Thüringen.
Zur Baugeschichte und reichhaltigen Ausstattung der Mihlaer Martinskirche liegt eine ansprechende Broschüre vor. Daher sei an dieser Stelle der Blick auf ein Detail genauer gelenkt. Es ist das liebevoll ausgemalte Tonnengewölbe der Kirche. Es bietet illusionistische Ausblicke in den Himmel, die von Blumenkränzen gerahmt sind. Die einzelnen Gewölbeabschnitte werden von zarten Pflanzen, Engelsköpfen, Muschelornamenten und Rocaille-Motiven begrenzt. Im Chor entfaltete sich eine Fülle an Blumen. Hier haben wir die Rokoko-Variante einer „Himmelswiese“ vor uns, die 1751 bis 1752 von den Malern Henning, Blumentritt, Becker und Hess ausgeführt wurde. 2011 erfolgte die Restaurierung der Decke, die das Wirken mehrerer Maler bestätigen konnte.
Himmelswiesen gab es schon in der gotischen Kunst. Blumen - der Natur nachempfunden - zierten die Gewölbe. Jede Pflanze symbolisierte Aspekte der christlichen Lehre. In Mihla wirken die Pflanzendarstellungen entsprechend der Kunstauffassung der Mitte des 18. Jahrhunderts dagegen etwas stilisierter. Am häufigsten findet sich die Rose. Sie gilt in ihrer Schönheit nicht nur als Verweis auf Maria, sondern steht auch für das Martyrium, das über die Schmerzen zur Erlösung führt. So finden sich Vorstellungen von einer Rosenhecke, die das Paradies umgibt. Es wäre eine lohnenswerte Aufgabe, die anderen Blumen zu bestimmen und ihre jeweilige Botschaft an die Gemeinde zu entschlüsseln. Zusammen symbolisieren sie den Garten Eden, den Gott selber anlegte. Nach der Vertreibung aus dem Paradies steht der Garten Eden für die Sehnsucht des Menschen nach dem Einklang mit Gott und seiner Schöpfung. Die Schönheit der Natur inspiriert die Menschen immer wieder aufs Neue dazu, die Vollkommenheit der göttlichen Sphäre zu beschreiben. So auch den Theologen und Kirchenlieddichter Paul Gerhard (1607-1676), der den Text zu dem beliebten Kirchenlied „Geh aus mein Herz, und suche Freud“ schrieb. In der ersten Strophe öffnet er dem Hörer die Augen für die Schönheit der göttlichen Schöpfung: „…schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie dir und mir sich ausgeschmücket haben, …“ Die Deckenmalereien in Mihla künden von der Freude der Naturbetrachtung und der Hoffnung auf ein Paradies. Sie schenken dem Raum eine festliche Leichtigkeit.
Gefördert durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums: Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete.