Die Göringer Kirche

Bildbetrachtung zwischen Kulturgeschichte und Glaubenswirklichkeit

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Bauhistorische Forschungen in der Göringer Kirche wiesen Bauteile aus dem 11. Jahrhundert nach. An der Nordwand erhielten sich Reste mittelalterlicher Fresken. 1752 erfolgten ein Umbau und die Errichtung des Turmes. Von 1757 stammten die prächtigen Deckengemälde, die eine Restaurierung in den 1990er Jahren wieder freigelegte. Sie zeigen die „Himmelfahrt Christi“ und das „Jüngste Gericht“. Die Emporen-Brüstungen tragen Bildnisse der Apostel. Den Kanzelaufgang zieren Darstellungen von Mose und Jesus. Das ist die sinnenfreudige Rokoko-Ausstattung. Im 19. Jahrhundert kamen zur Deckenbemalung über der Orgel Sinnbilder hinzu: eine segnende Hand, die Taube und das Kreuz.

Die mit großem Einsatz der Gemeinde sanierte Kirche vereint Bilderwelten verschiedener Epochen miteinander und verbindet sie mit dem gegenwärtig gelebten Glauben. Machen wir uns heute andere Vorstellungen vom Glauben als die Bildschöpfer und Bildbetrachter vergangener Zeiten? Diese Frage stellt sich beim Erkunden des „Jüngsten Gerichts“. Erlöste kommen in den Himmel, Verstoßene in die Hölle. Welche Bilder des Weltenendes entwerfen wir heute? Wie bewerten wir verlorenes und gelungenes Leben? Vermitteln die Bilder heute noch Glaubensinhalte oder betrachten wir sie als rein kunsthistorisches Erbe?

Lesen wir ältere Beschreibungen der Kirche in Göringen, erkennen wir, dass der sehr alte Kern des Gebäudes lange unbekannt war. Erst im Zuge der umfassenden Sanierung zwischen 1990 und 1998 brachten bauhistorische und archäologische Untersuchungen Erkenntnisse zum mittelalterlichen Vorgängerbau zu Tage. An einem Balken konnte die Fällzeit des Baumes im 11. Jahrhundert nachgewiesen werden. Mauer- und Mörteluntersuchungen ergaben die Bauzeit eines massiven Steingebäudes zwischen 1180 und 1240. Reste mittelalterlicher Fresken an der Emporen-Nordwand legen die Vermutung nahe, dass die Kirche einst gänzlich ausgemalt war. 1752 erfolgte der Umbau mit einem Tonnengewölbe und einem Ostturm, der ohne Durchgang zum Langhaus an die Kirche angefügt ist. Restaurierungsarbeiten in den 1990er Jahren legten die himmelblaue Decke mit Sternen und Deckengemälden von 1757 wieder frei. Die Deckenbemalung zeigt in lebhafter Dramatik die Himmelfahrt Christi und das Jüngste Gericht. Aus der gleichen Zeit stammen die Gemälde an den Emporenbrüstungen, die halbfigurig Apostel zeigen. Den Kanzelaufgang im Osten der Kirche hinter dem Altar schmücken Darstellungen von Moses und Jesus. Die Ausstattung zeugt von der sinnenfreudigen Bildsprache des Rokoko, die nach den Möglichkeiten eines ländlichen Auftraggebers ausgeführt ist. Im 19. Jahrhundert wurden Reparaturen am Turm notwendig. Am Tonnengewölbe über der Orgel entstand ein weiteres Deckengemälde mit den Sinnbildern des Christentums, eine segnende Hand, die Taube und das Kreuz.

Als 1990 deutlich wurde, wie verfallen die Kirche ist, setzte sich die Gemeinde mit ganzer Kraft für den Erhalt ein und rettete das wertvolle Gebäude für die Nachwelt. Erst jetzt kamen die prächtigen Deckengemälde wieder zur Geltung. Das Ergebnis der aufwendigen Restaurierungsmaßnahmen macht Bilderwelten des Mittelalters, des 18. und des 19. Jahrhunderts erlebbar und setzt sie ins Verhältnis zum gegenwärtig gelebten Glauben. Vielleicht befremden uns einige Darstellungen. Die Szene des Jüngsten Gerichts verdeutlicht eindrücklich, dass wir uns heute lieber andere Vorstellungen vom Glauben machen. Jesus thront über den leiblich aus den Gräbern steigenden Toten. Links werden die Erlösten von Engeln in den Himmel geleitet und rechts von hässlichen Dämonen in das Höllenfeuer gezerrt. Was können uns solche Szenen heute noch vermitteln? Vielleicht sollten wir darüber ins Gespräch kommen und gegenwärtige Vorstellungen des Weltenendes diskutieren? Wir sollten Überlegungen zu verlorenem und gelungenem Leben anstellen? Der Betrachter kann entscheiden, ob die überlieferten Bildwerke noch immer der Glaubensvermittlung dienen, ob sie biblische Aussagen adäquat darstellen oder als rein kulturhistorisches Erbe einen eigenen Wert besitzen.

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